Die Smart Factory oder auch „intelligente Fabrik“ startete im Rahmen von Industrie 4.0 und Digitalisierung als Technologieinitiative der TU Kaiserslautern und einer Reihe von Akteuren aus Industrie, Wissenschaft und Technik. Klar. Will man Aufmerksamkeit erregen, braucht man halt große Überschriften. Und die wird bei der Smart Factory immer größer. Heute versteht man unter dem Begriff ein buntes, nicht immer klar definiertes Sammelsurium aus Visionen und Leitbildern für die digitale Fabrik der Zukunft. Ungeachtet der zahllosen nebulösen White-Paper, Marketing-Slogans oder politischen Podiumsdiskussionen tauchen einige Elemente immer wieder im Zusammenhang mit der Smart Factory auf:
Das Konzept der Smart Factory klingt erstmal verlockend. Dennoch ist die reine Auflistung hypothetischer Vorteile, Forderungen und Wünsche an eine moderne Produktions-IT etwa genau so viel wert, wie die prosaisch ausgeschmückte Beschreibung eines digitalen Schlaraffenlandes oder die Wunschliste an den I4.0-Weihnachtsmann. Es ist und bleibt eine Vision. Oder wie böse Zungen behaupten würden – eine nette Spinnerei, wie beispielsweise das in den 90er-Jahren aufkommende CAM (Computer Aided Manufacturing). Um wirklich einen Mehrwert am Hallenboden, an den Produktionsleitständen oder – das wichtigste – im Geldbeutel zu spüren, braucht es ein realistisches Vorgehensmodell, das im Idealfall auch kurz- bzw. mittelfristig schon Erfolge mit sich bringt. Genau das soll mit dem Vier-Stufen-Modell in, wie der Name schon sagt, vier Schritten erfolgen:
Schauen wir uns das mal genauer an:
Will man Entscheidungen treffen, braucht man die richtigen Informationen – und das möglichst zeitnah. Das wussten schon die alten Römer in ihren Feldzügen zu schätzen. Und auch in der Produktions-IT läuft nichts ohne Betriebs-, Maschinen-, Prozess- und Auftragsdatenerfassung, denn:
Klingt alles trivial. Der historisch gewachsene und oftmals heterogene Maschinenpark vieler Fertigungsunternehmen macht aber häufig jeden Traum einer vollvernetzten Smart Factory zunichte. Sie können halt von einer 20 Jahre alten Maschine nicht erwarten, dass diese plötzlich mit einer OPC-UA-Schnittstelle nur so auf ihre Integration in einen KEPServer wartet. Bei einer solch widerspenstigen Kollegin, kann Ihnen nur noch die Softwareentwicklung aus der Patsche helfen.
Allerdings lohnt sich der Aufwand. Hat man erstmal seine Produktion digital abgebildet und Zugriff auf einen umfassenden Datenbestand, ist der Grundstein für Optimierungen und die produktionsnahe Qualitätssicherung gelegt. Wenn Sie beispielsweise im Rahmen der OEE-Kennzahlen-Analyse an einer Maschine außergewöhnlich lange Rüst- und Einstellzeiten feststellen, lässt sich auf dieses Ärgernis, z.B. durch gezielte Schulungsmaßnahmen, reagieren, um die Verfügbarkeit Ihrer Maschine und damit auch die Produktivität Ihrer Anlagen zu steigern – stellen Sie sich mal vor, Sie müssten durch monatelanges spekulatives Rumprobieren darauf kommen.
Und wem dieser Vorteil zu schwammig ist, der wird vielleicht als Zulieferunternehmen von seinen Kunden in Form von stetig strenger werdenden, teilweise gesetzlich vorgeschriebenen Nachweispflichten motiviert, seine Produktion nahtlos zu dokumentieren. Dazu gehören beispielsweise Prüfmerkmale des verwendeten Materials, Maschineneinstellungen, Personalqualifikationen und Auffälligkeiten an zugelieferten Komponenten zusammengefasst als Qualitätszeugnis – schließlich ist Vertrauen bekanntlich gut, aber Kontrolle eben besser.
Wenn man in der Produktion eines einplanen kann, dann dass nichts nach Plan läuft. Zu spät geliefertes Rohmaterial und Halbfertigerzeugnisse, zur Neige gehende Betriebsmittel, technische Störungen an einer Maschine und zu allem Überfluss fehlt auch noch Klaus, unser Maschinen-Instandhaltungsgenie, aufgrund einer akuten Corona-Infektion. Da ist das Chaos vorprogrammiert und die Planungsdaten, die auf der grünen Wiese entstanden sind, können Gras fressen.
Um solche Situationen nicht eskalieren zu lassen, muss der Meister oder Produktionsleiter schnell reagieren. Und dazu braucht es – Sie ahnen es schon – Daten. In Stufe 2 aber in Echtzeit. Nicht unbedingt harte Echtzeit, wie an einer SPS, aber zumindest müssen Verfügbarkeit von Maschinen, Material, Mitarbeiter und aktueller Status von Fertigungsaufträgen in Korrelation mit den eher groben Planungsdaten aus dem ERP-System zeitnah bereitstehen.
Eine derartige datengetriebene Feinplanung hat durch die gewonnene Reaktionsfähigkeit einige Vorteile:
Und wie sieht die Umsetzung in der Produktions- und Fertigungs-IT aus? Im Grunde genommen geht es um die Digitalisierung bzw. Erweiterung von altbekannten Planungswerkzeugen wie beispielsweise:
Ziel ist in dieser Ausbaustufe der Smart Factory immer die Schaffung einer mit der Fertigungsrealität gekoppelten Feinplanung. Heißt ganz praktisch, man paart die Produktionsgrobplanung, z.B. aus einem ERP-System, mit der Betriebsdatenerfassung. Voila! Fertig ist die digitale Planungstafel. Und für die Umsetzung in Ihrer Produktions-IT müssen Sie noch nicht mal nach den Sternen greifen:
Damit wären wir auch schon auf der dritten Stufe der Smart Factory angelangt.
Damit unsere Fabrik auch richtig „smart“ wird, brauchen wir noch eine ordentliche Prise Automatisierung. Im Fall der Smart Factory geht es vor allem darum, auf Basis der erfassten Daten aus Stufe 1 und Stufe 2 ohne manuelles Zutun zu reagieren.
Die einfachste Stufe stellen z.B. ein halbautomatisiertes Alarm- und Eskalationsmanagement dar. Dabei geben z.B. Signalampeln und Panel-PCs den Produktionsleitern, Maschinenbedienern, Anlagenfahrern oder Instandhaltern rechtzeitig Bescheid, falls ein vordefinierter Sollwert einen kritischen Schwellwert überschreitet. Anstatt nur den lieben langen Arbeitstag nervös Werte zu beobachten, können die Mitarbeiter in der Produktion nun zielgerichtet Maßnahmen einleiten. Dieses Szenario wird teilweise auch als Condition Monitoring bezeichnet. Und wie der Zufall es so will, haben wir für alle Neugierigen auch gleich das passende Beispiel aus der Praxis.
Eine zweite sehr beliebte Möglichkeit ist das sogenannte eKanban. Mit Hilfe einer betriebsdatengestützten Material- und Produktionslogistik, erfolgt ein zeitnahes Monitoring von Materialpuffern. Sollte nun ein Rohstofflager oder -zwischenlager zu Neige gehen, kann schnell durch automatisierte Materialbestellungen Nachschub besorgt werden.
Voraussetzung für eine solche Art der Selbstregulierung, wie es die Smart Factory vorsieht, sind natürlich gut formalisierte Prozesse, die nicht allzu vielen kreativen Freiheitsgraden ausgesetzt sind und sich entsprechend auch in der Produktions-IT abbilden lassen. Ein Computer ist eben kein Mensch, sondern nur ein Rechen-Idiot.
Die vierte Stufe der Smart Factory ist im Vergleich zu ihren Vorgängern noch recht vage. Im Grunde geht es darum, die digitalen Systeme noch weiter zu vernetzen. Das können beispielsweise Module innerhalb eines MES-Systems sein, das können aber auch unternehmensübergreifende ERP- oder MES-Lösungen sein, die miteinander interagieren.
In Sachen Software-Technik könnte man beispielsweise bescheiden damit anfangen, vorausschauend Materialbestände zu monitoren und Bestellungen nicht nur retrogerade nach einer entsprechenden Materialbuchung, sondern bereits während der Produktion auszulösen.
Noch verrückter wird es, wenn eine zwischenbetriebliche Informations-Vernetzung von Produktionsbetrieben, beispielsweise in Form eines zwischenbetrieblichen Stoffstrommanagements, sattfindet. Klingt erstmal nach Utopie. Es gibt aber bereits einige praktische Beispiele:
Die Smart Factory mit ihrer lückenlosen Datenaufzeichnung ist für solche Anwendungsfälle natürlich die ideale Datendrehscheibe. Denn so können Unternehmen ihre Stoffbilanzen vergleichen und Informationen zu möglichen Substitutionsstoffen aus Rückständen im Informationsnetzwerk beschaffen. Wozu eine Smart Factory nicht alles gut sein könnte – vorausgesetzt man begibt sich Schritt für Schritt auf den Lösungsweg.
Man kann es nicht oft genug betonen. Die digitale Wirtschaft basiert in großem Maße auf Software – was uns als IT-Dienstleister für SAP-Leistungen und Softwareentwicklung übrigens nicht ganz ungelegen kommt. Die Smart Factory ist da keine Ausnahme. Die Säulen der modernen Produktions-IT bilden dabei unsere altbekannten Großsysteme:
Neben den Klassikern der Produktions-IT gesellen sich aber auch eine ganze Reihe neuer Software-Systeme in der Smart Factory dazu:
Man braucht also nicht auf die digitale Erleuchtung warten, sondern kann schon jetzt mit der Umsetzung der Smart Factory als – wenn auch etwas blumiges – Leitbild loslegen. Denn dafür stehen, wie Sie eben gelesen haben, eine ganze Reihe an Werkzeugen in der modernen Produktions-IT zur Verfügung. Und falls Sie das eher umhaut, statt weiterhilft, gibt es ja auch noch den guten alten Telefonhörer, mit dem Sie die PI Informatik anrufen können.